Es gibt Bilder, die nicht nur gemalt, sondern gelebt sind. Wenn ich die Sonnenblumen von Celi Guada betrachte, spüre ich nicht nur Farbe, Struktur und Bewegung – ich sehe eine Lebensgeschichte, die sich in jedem Gelbton entfaltet. Ihre Ausstellung trägt den Namen „Auf dem Weg der Sonne“, und genau dort nimmt sie uns mit: dorthin, wo Farbe zu Erinnerung wird und die Natur zum inneren Kompass.

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Sonnenblumenfeld II, Öl auf Leinwand, 80x120cm, 2009

Celi erzählt, dass alles mit fünfzehn begann. Ein junges Mädchen, ein Buch und ein erster Blick auf Van Goghs Sonnenblumen – dieses flirrende „Zittern“, wie sie es nennt, hat sie nie wieder verlassen. Sie malte, bevor sie verstand. Und irgendwann reichte das nicht mehr. Sie reiste in die Provinz Entre Rios, um echte Sonnenblumen zu sehen – nicht als Motiv, sondern als Wesen. Sie berührte ihre Blätter, roch die Erde, tastete sich mit allen Sinnen an sie heran.

Paris, London, Amsterdam – sie folgte Van Goghs Spuren, als wolle sie verstehen, was in diesen intensiven Gelbtönen brennt. Als sie im Van-Gogh-Museum vor seinen Sonnenblumen stand, war das kein Museumserlebnis, sondern ein Wiedererkennen. Später legte sie einen eigenen Garten an, säte Sonnenblumensamen, sah sie keimen, aufblühen und sterben. Nicht nur als Künstlerin, sondern als Teil dieses Kreislaufs. Sie hat nicht nur Farben gesammelt, sondern Erfahrungen. Nicht nur Blüten gemalt, sondern Leben.

In einem Brief zitiert sie Vincent van Gogh, der an seinen Bruder Theo schrieb:

Kunst ist der Mensch, der sich der Natur hinzufügt.

Für Celi ist das keine Theorie, sondern gelebte Wirklichkeit. Wenn sie malt, verschränkt sich ihr Inneres mit dem Rhythmus der Pflanzen, mit dem Licht, das sie aufsaugen, mit dem Vergehen, das in jeder Blüte mitschwingt.

Und sie beschreibt, warum Sonnenblumen sie bis heute begleiten:

Sonnenblumen berühren mich, weil sie immer nach der Sonne suchen und zu ihr hinaufschauen, selbst an bewölkten Tagen strahlen sie die Weisheit der kraftvollen Natur aus. Sie gehen „den Weg der Sonne”. Sie wachsen mit höchster Vitalität. In ihrem Wesen inspirieren sie mich: Stärke, Überwindung, Widerstandsfähigkeit und Wiedergeburt.

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Sonnenblumenfeld I, Öl auf Leinwand, 50x70cm, 2009

20250917 Kunstmeile VHS Baumschulenweg 7

Bunte Sonnenblumen I, Acryl auf Karton, 34x47 cm, 1993

Ihre Worte sind so golden wie ihre Bilder. Gelb, Ocker, Braun – sie malt nicht nur Farben, sie malt Spannung, Bewegung, Ergriffenheit. In jeder Pinselspur blitzt dieser ungestüme Mut auf, von dem sie spricht. Und wer eines ihrer Sonnenblumenbilder betrachtet, sieht keine Blumen – sondern Wesen, die das Licht trinken.

Auch mich lässt dieses Motiv nicht los. Vielleicht, weil Sonnenblumen etwas in uns wecken, das nach oben schaut, selbst wenn der Himmel schwer ist. Im August und September, wenn die Felder und Gärten voller Sonnen stehen, beginnt diese Sehnsucht in mir zu wachsen – der Wunsch, zu malen, festzuhalten, zu antworten. Viele Künstler fühlen das. Celi gehört dazu – und ich auch.

Ihre Bilder sind keine Stillleben, sie sind Bewegungen. Kein Abbild, sondern eine Verbindung. Wer sie sieht, spürt, dass Kunst mehr ist als Farbe auf Leinwand – sie ist Erinnerung, Natur, Heilung und Hingabe. Und manchmal beginnt alles mit einem Samen und einem Blick in die Sonne.

Egon Höcker, 04.10.2025